Adam Cadre: Lock & Key

Seit ich von von Glk und Glulx gehört habe, warte ich sehnsüchtig auf das erste Spiel, das von dem Potential dieser Erweiterung kreativ Gebrauch macht. Nun ist es erschienen.

Am 1.1.2002 hat Adam Cadre sein Spiel Lock & Key veröffentlicht. Es ist das erste Glulx-Spiel, das in meinen Augen beiden Wortteilen gerecht wird. (Dieser Artikel gibt einen Überblick über die bereits erschienenen Glulx-Spiele)

[Achtung: »Spoiler« lassen sich nicht völlig vermeiden. Wer Lock & Key also noch nicht gespielt hat und sich den Spaß nicht verderben will, sollte nun nicht mehr weiterlesen.]

Das Spiel beginnt in einer jedem namenlosen Abenteurer bekannten Situation: Man ist eingesperrt in einen Raum, hat den Schlüssel zum Raum nicht in der Tasche und möchte lieber draußen als drinnen sein. Die Anfangsszene wird so konventionell und informell präsentiert, wie es sicherlich jeder schon einmal in Winfrotz oder Ähnlichem gesehen hat.

Die inhaltliche und formale Wende kommt jedoch prompt nach der Bewältigung dieser ersten Aufgabe. Zuerst wird ein sehr hübsches Titelbild präsentiert, gleich darauf teilt sich der Bildschirm in drei Fenster und zum ersten Mal wird Grafik nicht nur spielbegleitend, sondern konstitutiv gebraucht.

Im Hauptteil des Spiels stattet der Spieler im Auftrag des Königs ein Verlies mit diversen Fallen aus und legt Gänge an, durch die die Wachen und Häftlinge das Verlies durchwandern sollen. Ziel des Spiels ist es, durch die richtige Kombination der Fallen, den überaus gewandten Häftling zur Strecke zur bringen, ehe er den Thronsaal erreichen kann.

Im letzten Teil des Spiels blickt der Spieler auf seinen zuvor entworfenen Plan und verfolgt die Flucht des Gefangenen, der sich Raum für Raum entlang des vom Spieler gewählten Wegs zum Ausgang des Gefängnisses vorarbeitet. Der Spielercharakter sitzt zur gleichen Zeit im Thronsaal und verfolgt gemeinsam mit dem König des Geschehen an einem Bildschirm.

Die richtige Kombination der Fallen zu finden, ist eine Sache von Probieren und Beobachten, was natürlich bedeutet, dass das Spiel nur durch mehrmaliges Laden zu gewinnen ist. Langweilig wird es jedoch dabei nicht. Bereits der Kauf der Fallen bei der jeweiligen Firma ist unterhaltsam geschrieben, und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Fallen in Aktion zu beobachten, da außer dem Gefangenen auch die Wachen und ein tollpatschiger Gladiator in dem Verlies unterwegs sind. Weil die kleine Rahmenhandlung, in die das große Rätsel eingebettet ist, sehr gut erzählt ist, erträgt man es auch leicht, einen Text mehrmals zu sehen.

Die Nicht-Spieler-Charaktere sind nur skizziert und bei weitem nicht so detailliert gestaltet wie in Cadres anderen Spielen. Dennoch amüsieren sie den Spieler, und man hat ein klares Bild von ihnen beim Spielen vor Augen.

Die Interaktion mit der Spielwelt ist ebenfalls sehr beschränkt. Die Programmierung von Lock & Key ist beinah perfekt. Es fehlen allenfalls hier und da einige Synonyme (das Wort »alles« wäre eine wünschenswerte Ergänzung). Programmfehler konnte ich nicht finden.

Die Grafik, ein schachbrettartiger Plan des Gefängnisses, kommt bei der Planung zum Einsatz. Denn wenn der Spieler die Türen und Fallen mittels Texteingabe plaziert, kann er sogleich in der nebenstehenden Abbildung seine Veränderung in den Blaupausen wiederfinden. Die Grafikunterstützung von Glulx erspart dem Spieler das lästige Notieren und Durchstreichen auf dem Zettel neben der Tastatur. Erstmals hatte ich beim Spielen eines Glulx-Spiels das Gefühl, dass meine Aufmerksamkeit vor allem auf die Grafik gerichtet ist.

Wenn man dann im dritten Teil den Weg des Gefangenen anhand des Plans verfolgt, dann glaubt man, selbst im Thronsaal mit dem König vor dem Bildschirm zu sitzen.

Der Spieler wird in diesem Spiel selbst zum Programmierer, der ein Labyrinth für einen mehr oder weniger namenlosen Abenteurer entwirft und dann beim Betatest dem Spieler über die Schulter schaut.

Der Spieler ist ein Regisseur, der Nicht-Spieler-Charakter sein Darsteller - das Drehbuch steckt in der Grafik.