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Testfahrt

Schlechte Spiele dutzendweise

Beim jährlichen Textadventure-Wettbewerb gilt es, möglichst viele aus mehr als fünfzig Spielen zu bewerten. Viele Spieler sortieren hier noch rigoroser als sonst aus, was ihnen gefällt - und vor allem, was nicht.

Ich war in diesem Jahr so vorlaut, an der IFComp teilzunehmen - mit einem deutschen Spiel. Als Autor darf man für den »Miss Congeniality Award« stimmen, indem man eine Liste mit den besten drei Spielen einreicht. Dazu habe ich alle Wettbewerbseinträge gespielt.

Die meisten Spiele enden schon nach zehn Minuten und bekommen ein bis drei Punkte. Nicht nur, weil mich nicht ewig Zeit habe - es ist unglaublich viel Mist darunter.

Fehlende Synonyme sind ein Gräuel. Beim dritten wirklich naheliegenden Wort binnen fünf Minuten, das der Parser nicht versteht, beende ich das Spiel - außer, ich finde es aus anderen Gründen faszinierend. Aus diesem Grund komme ich bei Goofy von Ricardo Dague nicht weit. Das »Maze« kann man nicht als »Labyrinth« bezeichnen. In Triune sieht man eine Kolonie von Pilzen, aber will man einen davon nehmen, wird das Wort »mushroom« (im Singular) nicht verstanden.

Was für Pseudonyme gilt, ist auch für in den Beschreibungen erwähnte Verben und Gegenstände wahr - ich will wenigstens gesagt bekommen, dass das fürs Spiel nicht wichtig ist. Noch einmal Triune:

If you listen, you can hear a faint sound from inside: a quiet hissing of air. Or breathing.

> listen
I don't know the word “listen”.

> hear
I don't know the word “hear”.

> x breathing
I don't know the word “breathing”.

Eine Regel kann man auch von der Zahl der Rechtschreib- und Grammatikfehler ableiten. Bei einer Quote von drei pro Absatz gebe ich auf. Bei allem Verständnis für Nicht-Muttersprachler, die auf Englisch ein Textadventure schreiben - ein gewisses Niveau muss sein, sonst wandert das Spiel in meinen Papierkorb. So beginnt Lovesong mit den Worten »Here you are lost in a forest.« Ein faszinierender Satz - solange ich dachte, er sei eine bewusste Parodie. Nach zwei, drei Spielzügen hatte der Autor Mihalis Georgostathis diese Vermutung leider widerlegt.

Auch Spiele, bei denen man eine nahezu leere Karte durchwandern muss, lösche ich schnellstmöglich. Leider gibt es keine feste Regel, um Spiele wie Volcano Isle oder Stranded sofort als moderne Epigonen von Scott Adams zu entlarven. Allerdings spielen beide auf Inseln. – Ich sage es mal so: Wenn mehr als 50 Prozent der Räume komplett leer stehen und ihre einzige Funktion darin besteht, mich zum Kartenzeichnen zu zwingen, ist das kein Spiel für mich.

Nicht jedes Textadventure muss innovativ sein, aber wenn die alten Klischees allzu monoton wiederholt werden, ist das fade. Beispiel: Bane of the Builders. Die Waffe einstecken, eine Lichtquelle suchen, und dann ab in die Höhle. Zufällig ist es in diesem Fall Science Fiction. Als sich die Knöpfe am Ende des Ganges nicht bewegen wollten (»press buttons«), hatte ich eh längst die Lust verloren.

Manchmal reagiere ich schon auf eine einzelne Szene allergisch - zum Beispiel eine, die in mindestens einem halben Dutzend Spiele des diesjährigen Wettbewerbs vertreten ist. Du wachst im Dunkeln auf und kannst nichts riechen, nichts hören, nichts schmecken und schon gar nichts sehen. Das war in Hitch Hiker's Guide to the Galaxy witzig, aber in The Test, The Caves of Morpheus, Triune und anderen länst nicht mehr. Da muss ein Spiel schon von Jon Ingold sein (All Roads), dass ich nach einem solchen Einstieg noch dranbleibe.

Und dann gibt es noch die Spiele, die ich einfach aus persönlichen Gründen nicht mag. Abstrakte Rätsel wie in Colours gehen mir einfach auf den Geist. Oder der wenig fuchterregende Horror von Mystery Manor. Aber hier beginnt der persönliche Geschmack zu großen Einfluss zu nehmen.

Würden die Abenteuer-Autoren den alten Rat beherzigen und ihre Spiele testen lassen, wäre schon das Schlimmste abgewendet. Die Anzahl an schlechten Spielen kann einen traurig machen.

02.12.2001, Florian Edlbauer

 
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