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Erfahrungsbericht »Die Bewerbung«

Die Bewerbung ist das dritte Spiel, das ich veröffentliche. Man könnte meinen, ich bekäme langsam eine gewisse Routine im Schreiben von Textadventures. Das ist allerdings nur zum Teil wahr.

Tatsächlich lernte ich bisher bei jedem neuen Spiel viel dazu. Starrider war natürlich das ambitionierteste Projekt - es dauerte zwei Jahre, bis es fertig war. Dagegen fällt Die Bewerbung geradezu lächerlich aus. Ich habe inzwischen Erfahrung gesammelt, wie lange man für die Programmierung eines Adventure-Spiels benötigt. Für Die Bewerbung habe ich, Betatests miteingerechnet, zwei Monate veranschlagt. Eine realistische Rechnung, wie sich herausstellte. Einen Monat benötigte ich für die Grundversion, einen weiteren Monat zum Testen. In der Testphase wurde im Wochenrhythmus eine neue Version an die Betatester geschickt.

Wie bei meinen anderen Spielen schon zeigte sich, was Neil deMause in seinem Artikel »Beta-Testers I Have Loved« treffend beschreibt: Betatests sind eine Erfahrung für sich. Obwohl man das Spiel selbstredend perfekt programmiert hat, erkennt man nun - besser: muss erkennen - dass es voller Fehler, Unschönheiten und logischen Ungereimtheiten steckt. Erst nach dem Betatesten ist ein Spiel wirklich ausgereift, spielbar und kann mit gutem Gewissen veröffentlicht werden.

Zum Spiel selbst: Anders als bei Starrider wollte ich das Spiel bewusst einfach halten. Ich wollte klassisches »Abenteuerflair« erzeugen, jedoch dem Spieler etwas Unerwartetes bieten. Eine Idee dazu geisterte schon eine Weile in meinem Kopf herum: Nach einer Liftpanne betritt der Spieler eine surreale Welt, aus der er entkommen muss.

Die Grundidee war schnell gefunden, mehr Schwierigkeiten bereiteten die Details. Es fiel mir schwer, das Projekt zu konkretisieren. Einige schreiben vor Beginn der Arbeit eine Art »Drehbuch« der Handlung oder malen mehrfarbige Karten. Ich habe ein kleines Büchlein, in das ich Ideen kritzle, wie sie mir gerade kommen. Wenn ich schließlich mit dem Programmieren beginne, lese ich alles noch einmal durch und arbeite das Spiel dann meist völlig anders aus.

Ich versuche inzwischen immer mehr zu planen, aber es ist wichtig, von der Konzeptphase auch irgendwann einmal zur Umsetzung zu kommen. (Das Problem sehe ich bei meinem nächsten größeren Projekt, Das Sonnenrad, das inzwischen in der dritten Version in Planung ist) Glücklicherweise sind bei einem kleinen Spiel wie Die Bewerbung selbst größere Änderungen keine gravierende Angelegenheit.

Jedes Spiel entwickelt beim Programmieren ein gewisses Eigenleben. Man hat immer wieder neue Ideen, flicht Details ein und haucht der Spielwelt damit das Leben ein, das sie so einzigartig und interessant macht. Die Olivenpresse war so ein spontaner Einfall, der mir erst mitten im Spiel kam, als ich mich fragte, zu welchem Zweck Herkules den Weg eigentlich absperrte. Die Titel des Spielers, die er mit steigender Punktzahl bekommt, erstellte ich, nachdem in der Tagesschau über den Arbeitsamtbetrug berichtet wurde.

Mit der Zeit wurde das Spiel immer konkreter und ungefähr in der Mitte hatte ich schließlich ein genaues Bild davon, wie alles zusammenspielen sollte, wie das Spiel endete und welche Rätsel es zu lösen galt.

Zuletzt ist das Resultat immer anders als ursprünglich erwartet. Die Bewerbung bildet da keine Ausnahme. Anfänglich sollte der Spieler ein Floß bauen und auf eine Insel mit einem Tempel rudern, schließlich war es ein Tempel auf einem Berg, an dessen Hängen Olivenbäume wachsen. Die Bewerbung machte mich wieder einmal um einiges an Erfahrung reicher, und ich bin sicher, dass auch das Schreiben weiterer Spiele für mich nicht zur langweiligen Routine verkommt.

02.06.2002, Max Kalus

 
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